Friederike L.* schreibt an ihren «Noch-Ehemann» am Tag der Scheidung
Lieber Michael*,
schon diese Anrede ist ein Akt der Versöhnung: du warst in den letzten Jahren alles andere als «lieb», hast mich gequält, verfolgt.
Heute werden wir geschieden – fast genau 20 Jahre nach der Hochzeit. Nach 15 weitgehend glücklichen Ehejahren hast du dich ziemlich schlagartig gewandelt: von einem der hilfsbereitesten Menschen, die mir je begegnet sind, zu einem erbitterten Feind, der sogar gegenüber dem Gericht behauptet, ich sei gar nicht schwer erkrankt, sondern würde das alles nur vorspielen, um Geld zu erpressen. Grausamer Rosenkrieg. Ich habe das Ende der Scheidung herbeigesehnt – endlich befreit sein von Anwaltsbriefen, Gerichtskosten, unendlichen Beweisführungen, Gegendarstellungen. Und doch sehe ich dich jetzt im Traum als liebenswerten Menschen, der du ja auch mal warst. Ich habe endlose Stunden nachgegrübelt, um zu verstehen, was passiert ist, auch über meinen eigenen Anteil an dem Desaster. Ich werde wohl nie eine umfassende Antwort bekommen.
Aber du gehörst zu meinem Leben. Ich versuche, nach all den schlimmen Erfahrungen der letzten Jahre die glücklichen Stunden davor nicht zu vergessen. Wir waren mal ein gutes Team, haben sehr viele Interessen geteilt, aber unsere Bedürfnisse waren nicht gleich. Gemeinsame Interessen genügen nicht, wenn das Schwingen der Seelen fehlt. Vor allem, wenn eine Krankheit alle bisherigen Pläne plötzlich auf den Kopf stellt. Jetzt sind wir für immer getrennt. Ich lebe inzwischen ganz woanders und habe dir bewusst nicht gesagt, wo. Es gab Zeiten, da war ich so getroffen, da habe ich dir gewünscht, es möge dir richtig schlecht gehen, damit du ansatzweise spürst, wie sehr du mich verletzt hast.
Aber Rache hilft nicht. Ich versuche loszulassen, mich zu versöhnen mit dem, was war und jetzt ist. Inzwischen denke ich: du bist vermutlich nicht glücklich. Du wirkst fast wie in dir selbst gefangen. Ich bin gesundheitlich sehr eingeschränkt. Ich habe finanziell richtig viel verloren, das ist sehr bitter. Aber ich bin weitgehend mit mir im Reinen, fühle mich innerlich immer häufiger frei und offen für Neues. Der Schmerz lässt langsam nach. Ich wünsche dir, dass du Frieden machen kannst, jetzt, wo wir endlich geschieden sind. Ich möchte dir durch all das Dunkle, Schwere, Grausame der letzten Jahre zurufen: Danke für die gemeinsame gute Zeit davor.
* Namen geändert