Ich bin katholisch - auf meine Weise!

Dass Jugendliche sich mit Kirche schwer tun, ist nur zu bekannt. Grund genug für die Pfarrbriefredaktion, einmal junge Menschen, die sich in der Jugendarbeit der Gemeinde engagieren, nach ihrer Einstellung zu fragen. Frank Reintgen sprach mit den Gruppen­leitern Barbara C., Anna S. und Ansgar H.

Vor einigen Tagen habt ihr gemeinsam mit vielen anderen Jugendlichen am Sechswochenamt für Hendrik teilgenommen, der Anfang des Jahres auf sehr tragische Weise ums Leben gekommen ist. Hendrik hat lange Zeit in der Jugendarbeit bei euch mitgearbeitet. Was bedeuten euch kirchliche Rituale?

Barbara: Ich habe das Sechswochenamt von Hendrik noch gut in Erinnerung. Das Ritual an sich hat mir gut getan und mir geholfen, nicht in der Trauer zu bleiben. In solchen tragischen Momenten spürt man, dass man an wichtigen Punkten im Leben nicht alleine ist.

Anna: Im Gottesdienst zugesprochen zu bekommen, dass es ist okay ist, wenn es weiter geht – trotz des Verlustes und dieses Schocks, das fand ich für mich hilfreich.

Ansgar: Schon bei der Nachricht von Hendriks Tod hat mir mein Glaube geholfen. Mein Glaube hat mir Halt gegeben. Dass da was ist, wo man sich hinwenden kann. Aber ich brauche nicht unbedingt einen Kirchenraum für meinen Glauben. Ich kann auch an anderen Orten beten. Während meiner Arbeit als Steinmetz am Friedhof mache ich mir zum Beispiel oft Gedanken über das Leben und Sterben. 

©privat

Die Beerdigung habt ihr als hilfreiches Ritual erlebt. Ist das bei anderen kirchlichen Ritualen anders?

Barbara: Das ist schwer zu beantworten. Bei der Messfeier stört mich der feste Termin. Er passt oft nicht für mich. Und der fest vorgegeben Ablauf zum Beispiel der Messe ist für mich nicht so hilfreich. Manchmal hilft der Ablauf der Rituale – aufstehen, gemeinsam beten auch, sich hinsetzen und ein Lied singen –, aber oft auch nicht.

 

Gibt es Messfeiern, an die ihr euch besonders gut erinnert?

Anna: Die Messe meiner Erstkommunion an Gründonnerstag habe ich noch gut in Erinnerung. Ich war sehr gerührt und hatte das starke Gefühl, dazu zu gehören und willkommen geheißen zu werden.

Barbara: Ja, es war aufregend in die Kommuniongewänder zu steigen.

Ansgar: Mir haben Gottesdienste als Mess­diener besonders dann gefallen, wenn ich nicht in Severin, sondern an anderen Orten Messe mit gefeiert habe – also im Altersheim oder Krankenhaus. Das ist hängen geblieben. Da war ich noch einmal anders da.

 

Auf Fahrten, die ihr organisiert, finden immer auch Gottesdienste statt. Würde euch was fehlen, wenn es das nicht gäbe?

Barbara: Ja, irgendwie schon.

Ansgar: Für mich ist das ein Punkt, wo man noch einmal zur Ruhe kommen kann. Das ist sehr angenehm. Das Ganze ist intimer als sonst, und die Messe ist so gestaltet, dass alle mitmachen können.

Barbara: Ich finde es rührend, wenn die Kinder ihre Fürbitten sprechen und sich das in den letzten Jahren auch wieder mehr trauen. Vor allem auch die kleinen Kinder beteiligen sich. Also irgendwas scheint da doch dran zu sein.

Ansgar: Die Vorbereitung eines Gottesdienstes, bei dem kein Kind in der Vorbereitung mitmachen wollte, ist mir noch gut in Erinnerung. Wir saßen dann mit ein paar Leitern zusammen. Das Gespräch über das Thema und das Vorbereiten, das war etwas Besonderes für mich. Da ist etwas hängen geblieben.

 

Gibt es Orte, wo Glaube zum Thema wird, oder ist das etwas, was man mit sich alleine ausmacht?

Ansgar: Im Zivildienst im Altenheim gab es einen Türken, der mich auf die Unterschiede zwischen Christentum und Islam angesprochen hat. Da haben wir oft diskutiert und uns ausgetauscht. Wenn ich Musik höre, da fühle ich mich oft auch religiös angesprochen.

Barbara: Manchmal sprechen wir als Freunde über Kirche oder Glaube. Ich diskutiere das nicht so sehr mit mir. Ich suche manchmal Kirchenräume auf. Als das mit Hendrik war, bin ich vormittags in den Dom gegangen oder auch nach Severin. Das hat mir gut getan.

Anna: Im Krankenhaus während der Pflegepraktika gab es spannende Situationen und bewegende Gespräche mit Sterbenden oder Todkranken. Dabei hatte ich immer das Gefühl, dass es darauf hinaus läuft, dass sie ein Vertrauen haben, dass die Angst genommen wird. Für uns ist das Thema "Tod und Sterben" weit weg, doch in solchen Momenten kommt man mit dem Thema in Berührung. Es macht viel aus, in welcher Situation man selber ist, ob man die Chance hatte, sich mit dem Sterben vertraut zu machen.

Wie leicht oder schwer fällt es euch zu sagen: "Ich bin katholisch"?

Ansgar: Wenn ich darauf angesprochen werde, was man so macht, und ich erzähle, dass ich Fahrten mit Kindern organisiere für die katholische Kirche, dann gucken die meisten Leute schon. Und dann erzähle ich von unserer Leiterrunde und von dem, was wir so tun.

Barbara: Letzte Woche kam ich mit jemandem ins Gespräch, und ich habe davon erzählt, dass ich Fahrten mache mit der Katholischen Jugend. Da hatte ich das Bedürfnis, genauer zu erklären, wie das läuft, damit kein falsches Bild entsteht. Und viele erzählen dann, dass sie früher auch mal bei solchen Fahrten mitgefahren sind, oder dass sie andere kennen, die das auch machen. Trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, ich müsste das nochmal richtig einordnen.

Ansgar: Man kommt sich manchmal schon so vor, als müsste man sich verteidigen für das, was man da macht. Eigentlich ist das doof, weil es da nichts zu verteidigen gibt.

Anna: Wenn man sagt, ich mache Jugendarbeit in der Katholischen Kirche, da wird man auch mit Dingen konfrontiert, die in der Kirche nicht gut laufen oder wo Strukturen wirklich veraltet und antiquiert sind. Dann muss man das auch eingestehen oder darüber diskutieren. Da ist nichts Negatives dran. Man kann sagen, ich glaube oder ich bin katholisch, aber das muss nicht heißen, dass man zu hundert Prozent alles gut findet, was in der Institution läuft.

Ansgar: Ich habe einen katholischen Glauben und lebe ihn, aber nicht alles, was von oben kommt, ist für mich das Richtige.

©SilviaBins (c) SilviaBins

Für welche Erfahrung seid ihr am dankbarsten?

Barbara: Die Gemeinschaft untereinander. Jeder hat seine Stärken und Schwächen und kann sie ausleben.

Ansgar: Die Vielfalt. In jeder Situation hab ich jemanden, den ich ansprechen kann, der mir weiter helfen kann.

Anna: Der Zusammenhalt untereinander. Den erlebe ich als sehr tief und sehr beständig.

 

Welchen Wunsch habt ihr an Kirche/ Gemeinde?

Ansgar: Dass Kirche offener wird und Dinge hinterfragt, die vor Jahrhunderten geregelt wurden. Wie zum Beispiel den Umgang mit Sexualität und das Zölibat.

Barbara: Und dass man die aktuelle Forschung mit in das Denken und Handeln der Kirche einbezieht.

Anna: Dass man Unterschiedlichkeit aushält. Ich finde es okay, wenn es zu Diskussionen kommt, das halte ich für wichtig.