Wer wird wohl die erste beste Freundin unter vielen neuen Gesichtern in der Grundschule? Sabine M. weiß als Grundschullehrerin um die besondere Bedeutung von Freundschaften in den ersten Schuljahren. Sie tauscht ihre "professionellen" Beobachtungen und Erfahrungen mit dem ganz konkreten persönlichen Erleben ihrer Tochter Emilia (zweites Schuljahr) aus.
Sabine: "Du bist nicht mehr meine Freundin!" Wie oft im Verlauf eines Schulmorgens erklingt dieser Satz. Und wie häufig spazieren wenig später dieselben Kinder lachend und plaudernd über den Schulhof und haben alles andere um sich herum vergessen. Freund oder Freundin sein oder nicht (mehr) sein, das ist für die Kinder vom ersten Schultag an eine der wichtigsten Fragen. Ein Riss in der Freundschaft verfolgt die Kinder den ganzen Schulmorgen bis in den Unterricht hinein. Von dieser Unsicherheit geleitet können sie sich bisweilen nicht auf den Unterricht konzentrieren. Eine Freundin oder einen Freund zu haben ist für die meisten Kinder das entscheidende Kriterium schon kurz nach der Einschulung.
Emilia: Ich fand es komisch bei der Einschulung, weil ich niemanden kannte und nicht wusste, wie ich die Kinder ansprechen sollte. Aber am ersten Schultag habe ich direkt meine beste Freundin kennengelernt. Ich saß neben ihr, und wir haben uns direkt sehr gut verstanden. Sie hat einen netten Charakter, weil sie nicht wegen allem petzen geht. Sie erzählt nicht alles weiter, was ich ihr erzähle, und sie ist nicht oft beleidigt. Ich finde an ihr gut, dass sie nicht direkt streitet, sondern mit den Kindern über Probleme redet. Manchmal wollen wir unterschiedliche Sachen spielen, und trotzdem können wir uns einigen. Im Verlauf des zweiten Schuljahres kam noch eine weitere Freundin dazu. Wir drei sind immer füreinander da und keiner vernachlässigt den anderen. Bei vielen Kindern klappt die Freundschaft nicht so gut, weil sie über alles diskutieren und petzen gehen.
Sabine stellt fest: Plötzlich stehengelassen zu werden, zu hören bekommen, du darfst nicht mitspielen, ist für die Kinder mit das Ärgste. In beinahe jeder Pause kommt es zu dieser Situation. Es gab Unstimmigkeiten, oder zwei Kinder möchten einmal alleine spielen und ein dritter ist nicht erwünscht. "Aber du hast doch gesagt, du bist meine Freundin!" Die Zusage, "Du bist meine Freundin/mein Freund! Dich mag ich!", gibt so viel Sicherheit, dass ein Kind manchmal regelrecht verzweifelt, wenn diese Freundin oder dieser Freund ihm dann den Rücken zukehrt. Aus dieser tiefen Enttäuschung heraus fließen häufig Tränen. So tief die Verletzung ist, so lässt sich dennoch beobachten, dass trotz der erlebten Kränkung dieses Verhalten kurze Zeit danach von eben diesen Kindern selbst angewandt wird.
So jung die Kinder im ersten Schuljahr auch noch sind. Der Begriff Freundschaft ist für sie schon ausgefüllt mit Vorstellungen von einem Miteinander, einem "Gemeinsam", Zusammengehörigkeit, Wärme, Freude, "Nicht allein sein, füreinander da sein".