" ...und wer passt morgen auf mich auf?" fragte mich meine Mutter, als ich letztlich nach einem Tag bei ihr wieder nach Köln aufbrach.
Meine Mutter ist 1935 geboren. Sie wohnt dieses Jahr seit genau 50 Jahren in einem Eckreihenhaus mit einem kleinen Garten. Seit dem Tod meines Vaters 2015 allein. Meine Mutter ist dement.
Nach einer anfänglich kleinen Vergesslichkeit, dem Verwechseln unserer Namen und wenigen Wortfindungsproblemen verschlechterte sich ihr Zustand vor rund einem Jahr für uns Kinder unerwartet schnell. Durch den Starkregen im letzten Juli war ihr Telefon für drei Monate ausgefallen. Das immer schon ungeliebte Mobiltelefon triggerte. Die Zahlen auf der Tastatur waren für sie nicht mehr lesbar, Anrufe konnte sie nicht mehr annehmen. Auf dem Weg zu einer Freundin, die sie nicht anrufen konnte, verlief sie sich. Das Gefühl für Zeit ging ihr verloren. Glücklicherweise kochte sie bald nicht mehr. Meine Geschwister und ich waren uns schnell einig, es unserer Mutter zu ermöglichen, so lange wie möglich in der ihr vertrauten Umgebung zu bleiben.
Wir teilten uns auf, sodass jeden Tag einer von uns sie besuchen konnte, und meine Schwester versah den Hausschlüssel mit einem Tracker, wir finden sie also, wenn sie sich noch einmal verlaufen sollte. Zusätzlich haben wir eine Hilfe engagiert.
Wir können unsere Mutter nicht mehr in unsere Welt holen, das geht nicht mehr. Wir können sie aber in ihrer Welt besuchen. Über meine Besuche freut sie sich. Es gibt gute und schlechte Tage. Inzwischen weiß ich darum. Ich gehe mit ihr zum Friedhof, koche für sie und esse mit ihr. Alltäglichkeiten werden erledigt, das Leben organisiert. Seit sie den Rollator akzeptiert, sind auch Spaziergänge wieder möglich. Draußen, Licht und Natur wirken Wunder!
Wenn sie mich manchmal nicht mehr erkennt, oder mich mit meinem Vater verwechselt, dann weiß ich jetzt damit umzugehen. Gespräche sind nicht mehr möglich, aber ich kann Ruhe und Stille mit ihr ertragen. Wir haben keine gemeinsame Zukunft mehr, das ist mir klar. Aber wir haben hoffentlich noch viel Zeit miteinander. Zeit, in der ich meine Mutter in ihrem Zuhause besuche. Dort, wo jeden Tag einer von uns auf sie aufpasst.
M.B.