Einfach machen? Einfach machen!

Was machen denn die Vier da mit dem kranken Freund auf der Trage?  Zu viel Volk in der Bude, sie kommen nicht an Jesus ran. Also, rauf aufs Dach und abdecken. Doch was sagen die da unten, die um Jesus rumsitzen, wenn ihnen Balken, Brocken und Brösel auf die Köpfe fallen? Und der Hausbesitzer?  Kann teurer werden! Egal, der kranke Freund ist wichtiger. Runter mit ihm zu Jesus.  

Ganz anders der Rollstuhlfahrer. Die Handgriffe am Rollstuhl hat er abmontiert. Er ist es leid, ungefragt geschoben zu werden, wohin er nicht will. Der Rollstuhl ist eine Erweiterung seines Körpers. Darf keiner ungefragt anpacken. Kann und will ganz selbstbestimmt durch die Welt rollen.  Und wenn’s mal nicht geht,  dann frage er jemand.  Haben noch alle geholfen. Nicht einfach machen! Zuerst mal fragen. 

Wie die Geschichte mit Jesus ausging – der kranke Freund wieder auf den Beinen – das weiß der aufmerksame Bibelleser (Markus 2, 1-12).

Mosaik des 6. Jahrhunderts. Basilika von Sant'Apollinare Nuovo, Ravenna (c) José Luiz Bernardes Ribeiro / CC BY-SA 4.0 CC0_wikimedia

Mosaik des 6. Jahrhunderts. Basilika von Sant'Apollinare Nuovo, Ravenna

Aber was in den Köpfen der Vier so los war, bevor sie aufs Dach gestiegen sind, das illustriert der folgende innere Monolog. Von außen sieht es so mutig aus – ist aber oft die Überwindung von innerem Zögern und Zweifeln.

Alltägliches Zwie- oder Streitgespräch zwischen Kopf und Bauch. 

Auge: Sieh mal, da liegt einer, ist wohl vom Rad gefallen oder angefahren worden. Sieht übelst aus.

Ohr: Atmet aber noch

Bauch: Geh hin, hilf ihm, pack an! 

Kopf: Ne, du bist doch kein Sani! Wenn was schiefgeht, bist du dran!

Bauch: Hör mal § 323c!

Kopf: Was ist das?

Bauch: Unterlassene Hilfeleistung, Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr.

Kopf: Seit wann bist du so klug, du dummer Bauch?

Bauch: Aber ich hab Recht, das weißt du. Nu, pack mal an, setz den

Kerl hin, bring das Rad von der Straße.

 

Kopf: Pass auf, lass sein! Der blutet, du bekleckerst dir die neue Hose!

Bauch: Mensch ist wichtiger als Hose.

Kopf: Lass das Rad bloß liegen. Braucht die Polizei zur Unfallermittlung. 

Bauch: Nimm das Rad von der Straße, kommt sonst unter die Räder und ist ganz dahin. 

Bauch: Da kommt einer, frag ihn und dann packt ihr den Kerl und legt ihn in den Schatten

Kopf: Lass liegen, das rote Kreuz kann‘s besser. Kuck mal auf die Uhr. Du musst weiter, der Termin steht, den darfst du nicht verpassen.  

Bauch: Bleib hier, und hilf, du hast ihn zuerst gesehen. Du bist verantwortlich! Denn hier hält man zusammen …

Ja, das  kann noch lange so weitergehen. Und wer da zwischen Kopf und Bauch so stumm eingeklemmt ist, liebe Leserin und lieber Leser, das sind Sie und ich und jedermann. 

Wenn Sie nun weiterblättern, finden sie noch viele Ideen und Anregungen, die nicht so problematisch sind, wie die Geschichte da oben. Fragen sie sich doch selbst mal:  Was hindert mich, meinem Bauch mal öfter zu folgen und einfach zu machen? Ist das mein alter Trott, der mich gefangen hält und blind macht für alles, was er nicht kennt und was er nicht sehen will? Ist es die Angst vor unbekannten Nebenwirkungen und Konsequenzen? Ist es die Angst vor den Menschen, die denken oder sagen: Was macht der denn da, das ist doch nicht normal! 

Aber es gibt Gegenmittel: Abenteuerlust wecken, Risikobereitschaft fördern, mutiger werden. Wenn man angefangen hat, Grenzen zu überschreiten, einfach mal zu machen, kann es Spaß machen. Eventuell besteht dann sogar Suchtgefahr. 

Und wenn das alles nicht hilft, dann hilft beten: Reiß mich aus den alten Gleisen …

Johannes Krautkrämer