Jan Loffeld, Professor für praktische Theologie in Utrecht, geht anhand von soziologischen Untersuchungen und statistischen Erhebungen der Frage nach, warum immer mehr Menschen ohne Religion leben, warum sie nicht mehr die Fragen haben, die der Glaube beantworten will.
Er stellt fest, dass viele Menschen in ihrem Leben nicht mehr einen umfassenden Sinn suchen. "Sinn wird als selbst gemacht erlebt und vereinzelt erfahren." Leben spielt sich in Episoden ab, soll Spaß machen. Dahinter steht ein verändertes Verständnis von dem, was ein erfülltes Leben ausmacht.
Dies erklärt die stille Abwanderung selbst bei einem ansprechenden Gemeindeleben. Sie ist weitgehend keine individuelle Wahl aus kircheninternen Gründen (schlechte Predigten, Reformstau, etc.) sondern eine "Aufmerksamkeitsverschiebung": Es gibt Wichtigeres als den Gottesdienst.
Befragungen zeigen, "dass nur noch eine Minderheit, 20 bis 25 Prozent, sich Gott als Person vorstellt." Für die Mehrheit "ist Gott eine Energie, ein Etwas, wenig konkret bestimmbar und erfahrbar". Diese "Verflüssigung" Gottes ebnet den Weg zur persönlichen Irrelevanz des Glaubens als existenzdurchdringende und lebensbestimmende Richtgröße (Detlev Pollack, Soziologe). Kirche selbst wird im besten Fall zu einer Ritual- und Wohlfahrtsorganisation.
Diese Indifferenz dem Religiösen gegenüber ist zunehmend und gilt flächendeckend. 56 Prozent der Deutschen wissen mit Religiosität, gleich welcher Art, nichts mehr anzufangen, und ihr Durchschnittsalter ist niedrig.
Die Kirche ist angesichts dieser Phänomene völlig ratlos. Die schmerzhafte Erfahrung lautet, dass sich die Entkirchlichung selbst bei einem funktionierenden Gemeindeleben nicht stoppen lässt.
Für Jan Loffeld erlebt die Kirche ihren Karsamstag. Das heißt konkret: "Wir kommen um die Erfahrung der Leere und des notwendigen Abschieds nicht herum. Noch lässt sich Leere verschleiern oder verzieren, denn es ist in der Kirche und mit der Kirche immer noch sehr viel los. Aber auch Aktivitäten ... können ein Ausweis der Hilfslosigkeit sein." Wir müssen akzeptieren, dass Gott einer sein kann, "der die Welt frei lässt, indem auch außerhalb des Glaubens an ihn wirkliches Leben möglich ist."
Vor lauter Ritualen, ethischen Forderungen und Aufrufen zur Weltverbesserung ist zu wenig bewusst, dass GOTT das Alleinstellungsmerkmal der Kirche ist. IHN vorrangig und ausschließlich zu verkündigen, heute vielleicht gerade durch das Erzählen eigener Erfahrungen mit ihm, scheint die Aufgabe unserer Zeit. Etwas anderes blieb auch den Jüngern an ihrem Karsamstag nicht.
Barthel Schröder, Diakon
Jan Loffeld: Wenn nichts fehlt, wo Gott fehlt, Verlag Herder
Das Buch ist in der KÖB St. Severin entleihbar.