… sagt Dominik Meiering – leitender Pfarrer der Pastoralen Einheit Köln-Mitte und seit August 2024 auch leitender Pfarrer der Pfarrei St. Severin – im Gespräch mit der Pfarrbriefredaktion. Die Fragen stellten Ingrid Rasch und Michael Wissen.
Pfarrbriefredaktion: Du hast ja vor einigen Jahren die Koordination der katholischen Kirchen in der Kölner Innenstadt übernommen - eine Aufgabe ganz besonderer Dimension. Wie war das mit Deiner Entscheidung dazu 'Einfach machen' greift da wohl etwas zu kurz, oder?
Dominik Meiering: Von meiner Natur her bin ich eigentlich jemand der gerne sagt: "Komm, lass uns mal probieren. Lass uns mal machen!" Und ich hab‘ die Erfahrung gemacht, dass dann ganz viele einfach mitmachen. Wer was macht hat Macht. Und das ist ein wichtiger Punkt. Sobald du die Dinge in die Hand nimmst, hast du auch die Möglichkeit, Dinge zu gestalten und zu steuern. Ich bin jetzt 55 Jahre alt. Ich durfte an vielen unterschiedlichen Orten Verantwortung übernehmen und voran gehen. Dabei habe ich Vertrauen einerseits in mich selbst, aber auch in die Menschen, die mit mir unterwegs sind, gelernt. Und Vertrauen in den lieben Gott, dass er auch dabei ist. Einfach mal zu machen, bedeutet aber natürlich auch, ein Risiko einzugehen.
Und wie gehst Du mit dem Risiko um?
Es kommt darauf an, in allem dem lieben Gott und den Menschen zu vertrauen. Ich danke dem lieben Gott, dass er mich diesbezüglich gesegnet hat. Ich habe eine Mutter, die mir die rheinische Fröhlichkeit mitgegeben hat. Mein Vater hat mir die westfälische Ernsthaftigkeit mit auf den Weg gegeben. Das kombiniert sich ganz schön. Ich bin keiner, der viel hält von so Begriffen wie "Work-Life-Balance". Für mich ist das ein Leben, was ich lebe. Und ja – irgendwas muss man tun. Nix tun ist keine Lösung. Und deswegen war ich und bin ich eigentlich immer von morgens bis abends mit irgendwelchen Dingen beschäftigt.
Und wenn ich das dann auch noch in den Gemeinden mit anderen Menschen zur Ehre Gottes tun kann – ja, umso schöner, das ist eine erfüllende Aufgabe.
Du hast vorhin gesagt, Du bist ja nicht allein, da sind andere mit im Boot. Die sind nicht von selbst da - wie gelingt es Dir, andere mit ins Boot zu holen?
Also meine Erfahrung ist: Wenn jemand sagt "Komm, wir machen mal", dass dann immer ein paar dazukommen. Es gibt natürlich auch viele Bedenkenträger. Die gibt es immer und überall. Ich sage manchmal, wir haben in unserer Welt drei Sorten von Menschen: Da sind die Bedenkenträger, dann klassische Verwaltungsleute, die versuchen, den Status Quo zu bedienen. Und dann gibt es die mit dem Unternehmer-Gen, die Lust haben, auch mal was Neues zu machen, die Dinge weiterzuentwickeln. Und wenn es gut geht, dann sind die mit dem Unternehmer-Gen diejenigen, die die anderen hin und wieder gewinnen oder überzeugen können. Weil ich glaube, dass nur dann eine Entwicklung möglich ist. Nur dann verändert sich etwas. Getreu dem berühmten Diktum von Jörg Zink, wonach das wichtigste in der Hl. Messe die Wandlung sei, die Menschen aber keine Wandlung in der Kirche wollten. Aber wir sollten Mut zur Wandlung haben. Ohne Wandlung gibt es keine Entwicklung.
Du gehst Risiken ein, hast Du gesagt, und dann läuft sicher auch mal was schief. Wie gehst Du damit um, wenn etwas nicht gelingt, ein Plan, ein Vorhaben scheitert?
Jeden Morgen wenn ich aufstehe, nehme ich mir vor, dass der Tag perfekt läuft. (lacht) Jeden Abend, wenn ich schlafen gehe, stell ich fest: So und so viele Dinge haben nicht geklappt. Das ist ja das normale Leben – von dem, was ich mir vornehme, klappen viele Dinge nicht. Und zwar nicht nur wegen der anderen, sondern auch wegen meiner eigenen Begrenzung. Wir sind ja nicht perfekt, keiner ist perfekt. Auch unsere Gemeinden, unsere Gremien, unsere Strukturen, all diese Dinge sind nicht perfekt.
Wir sind angewiesen auf die Barmherzigkeit Gottes und die Barmherzigkeit der anderen. Und wenn wir merken, dass hier etwas schief geht oder gescheitert ist, dann sollten wir darüber reden und in aller Barmherzigkeit versuchen, uns gegenseitig zu helfen, dass wir den nächsten Schritt schaffen.
In Deiner Leitungsposition geht es ja auch darum, andere zum Machen zu ermutigen, Raum zu schaffen für mutige Schritte. Wie machst Du das?
Manchmal geht es mit mir durch und dann merke ich: Du sitzt wieder im Ferrari und die Menschen rechts und links von dir sitzen im Fiat. Da muss ich auf ein langsameres Auto umsteigen oder einen Gang runterschalten. Und die anderen mitnehmen, so dass sie sich mit auf den Weg machen können. Da muss man sich immer wieder disziplinieren und versuchen, die Wirklichkeit anzuschauen. Mir gefällt da der heilige Albertus Magnus sehr. Der hat gesagt: "Bevor du etwas verändern kannst, musst du die Wirklichkeit kennengelernt haben und anerkennen." Und er hat versucht dafür zu sensibilisieren, was die Wirklichkeit jedes einzelnen ist.
Kannst Du das noch etwas konkretisieren und auf die Situation hier und jetzt übertragen?
Albertus Magnus sagt: Wenn eine Situation nicht so ist wie ich denke, dass sie sein sollte, hilft es nicht zu sagen "Das müsste eigentlich anders sein." Oder wenn ich denke, ein Mensch müsste in seiner Rolle eigentlich so und so – auf jeden Fall anders – sein, dann hilft es nicht zu sagen: "Du müsstest doch eigentlich so und so sein." Denn das Problem liegt nicht bei dem anderen, sondern bei mir selbst. Ich muss mich fragen, ob ich die Wirklichkeit des anderen ehrlich angeschaut und anerkannt habe? Und was ich jetzt tun kann, damit ich diese Wirklichkeit verändern kann? Nur wer die Wirklichkeit annimmt, so wie sie ist, kann sie auch verändern.
Das ist das, was Jesus auch tut. Er geht auf die Menschen zu, die ihm begegnen: den Blinden, den Tauben, die Prostituierte, den Zöllner und Betrüger. Er schaut die Wirklichkeit der einzelnen Menschen an und fragt sich: "Was kann ich mit der Hilfe Gottes, des Vaters, tun?" Und so sollen auch wir im Geist Jesu die Wirklichkeit mit Mut anschauen und uns immer wieder neu fragen, was der Wille Gottes sein könnte.
Gibt es aus Deiner Sicht noch einen Aspekt, der Dir wichtig ist im Zusammenhang mit dem Thema 'einfach machen'?
Ich erlebe es immer wieder, dass Menschen unsicher sind, ob sie etwas tun sollen oder nicht, ob sie sich engagieren sollen für etwas oder für etwas eintreten sollen. Ich finde es ganz wichtig, die Menschen zu ermutigen. Ich sage oft einfach: "Probier es doch mal aus, mach doch einfach mal." Und dann entsteht im Tun eine Erfahrung, eine Sicherheit. Und das Ergebnis ist: Die Menschen fühlen sich plötzlich mutig und werden selbst zu Menschen, die andere ermutigen. Und so kann ein Schneeball eine Lawine auslösen. Und das muss weiß Gott nicht immer der Pastor sein, der ermutigt, sondern jede und jeder von uns kann ermutigen und sagen "Mach doch einfach!"