Nach 25 Jahren angestellter Tätigkeit hat die Schneidermeisterin Verena W. sich selbständig gemacht. Anke Lutsch von der Pfarrbriefredaktion wollte wissen wie es dazu kam.
Anke Lutsch: Was war der Auslöser, Dich zum Anfang dieses Jahres selbstständig zu machen?
Verena W.: Meine ehemalige Arbeitgeberin hat ihr Atelier geschlossen. Ich war dort 25 Jahre als Schneidermeisterin angestellt. Als ich mich beim Arbeitsamt gemeldet habe, erwähnte ich, dass ich mit dem Gedanken spiele, mich selbstständig zu machen. Dort hat man mich sehr ermutigt. Eine Selbstständigkeit wäre zu Beginn meines Berufslebens nie eine Option gewesen. Aber die Idee hatte ich schon seit einiger Zeit. Auch zu Hause passt es jetzt gut. Mein Mann hat mich bestärkt, und die Kinder sind in dem Alter, wo es einfach gut passt.
Wie ging es weiter?
Zunächst habe ich mich erkundigt, woher ich Zuschüsse bekommen kann. Ich musste einen Businessplan erstellen. Der hat mich an meine Grenzen gebracht (lacht).
Ich fühlte mich ganz kurz überfordert mit diesem Plan. Es kam mir so überflüssig vor. Aber dadurch habe ich mich intensiv mit der Selbstständigkeit auseinandergesetzt. Ich musste wichtige Fragen klären, zum Beispiel wie viele Stunden kann ich pro Woche arbeiten, von wo aus arbeite ich usw.
Dabei wurde schnell klar, dass sich ein externes Atelier nicht rechnet. Also arbeite ich zu Hause. Dann kam die nächste Hürde, weil ich nicht so einfach ein Gewerbe in unserer Mietwohnung anmelden kann. Ich habe beim Vermieter eine Nutzungsänderung beantragt.
Aber am Ende hat es sich gelohnt. Weil ich zu Hause arbeite, bin ich jederzeit für meine Familie da.
Woher kommt das Know-how für die berufliche Selbstständigkeit?
Ich habe zum Beispiel Online-Schulungen im Bereich Finanzen gemacht. Einiges habe ich schon in der Meisterschule gelernt.
Während ich meinen Businessplan vorstellte, wurde ich übrigens von der Handwerkskammer sehr detailliert dazu befragt. Als ich im Gespräch stockte, kam direkt die Frage, ob ich den Plan denn auch wirklich selber erstellt habe. Aber ich war eigentlich nur gerührt, dass meine Arbeit damit wertgeschätzt wird. Man hatte sich tatsächlich jedes Wort durchgelesen und nicht nur auf die Tabellen mit den Finanzen und Prognosen geschaut. Im Endeffekt war also diese unliebsame Arbeit ein wichtiger Schritt.
Und hast du schon erste Aufträge?
Ja, nach den sechs Monaten der Planung ist meine Selbstständigkeit tatsächlich gut angelaufen. Einfach war es nicht, aber ich bin stolz und glücklich, dass ich es gemacht habe. Übrigens habe ich schon einmal in meinem Leben einfach etwas gemacht.
Das macht mich neugierig, was war das?
Nach dem Abitur habe ich Mathematik und Textiltechnik auf Lehramt studiert. Das hat mir großen Spaß gemacht. Das Studium war toll. Aber als ich im Rahmen des Studiums Praktika in verschiedenen Schulen absolvierte, wurde ich hart auf den Boden der Tatsachen gebracht. Ich hatte eine sehr romantische Vorstellung vom Beruf des Lehrers, da ich selber immer sehr gute, nette Lehrer in der Schule hatte. Aber Lehrer sein ist noch vieles mehr und ich merkte, dass der Beruf nicht zu mir passt.
Ich war sehr unglücklich, und mein damaliger Freund riet mir, ich solle doch einfach was anderes machen. Da ich gerne handwerklich arbeiten wollte, machte ich die Ausbildung zur Schneiderin und danach besuchte ich die Meisterschule und wurde Schneidermeisterin.
Mich Meisterin zu nennen ist immer noch ein besonderes Prädikat für mich. Schade, dass man in offiziellen Formularen diesen Titel nicht angeben kann.