Es braucht Mut

Das Elternhaus verlassen, in eine andere Stadt ziehen, plötzlich allein verantwortlich sein, das braucht Mut, findet Marlon S. und berichtet im Gespräch mit Ingrid Rasch (Pfarrbriefredaktion) von seinen Erfahrungen mit gleich zwei Neuanfängen.

Der erste Neuanfang, 
der wichtigste – wie der jetzt 25-Jährige findet – liegt schon eine Weile zurück, die Erinnerung ist aber noch sehr lebendig. Nach dem Abitur und einem Bundesfreiwilligendienst ging er Ende 2019 zum Studium nach Siegen. Köln zu verlassen, dafür habe er Mut gebraucht, auch wenn er das nicht nach außen gezeigt habe. "Ein Kopfsprung war das für mich – mich selbst organisieren, in eine andere Stadt gehen, und die Familie weit entfernt". 

Den Bundesfreiwilligendienst hat er zwar schon als kleine Vorbereitung erlebt mit der Aufgabe in der Übermittagsbetreuung von Kindern am Humboldt-Gymnasium. "Das war super sinnvoll, da musste ich Verantwortung übernehmen." Aber dennoch war es für ihn eine große Herausforderung, sich dann in Siegen auf das Leben in einer WG einzustellen. Es galt, sich an die Hausregeln zu halten, sich zu dritt zu einigen etwa auf einen Putzplan, darauf wer wann die Wäsche wäscht, das Geschirr wegräumt, all die vielen Kleinigkeiten, die in so einem gemeinsamen Wohnen wichtig für ein gutes Miteinander sind. "Ich wusste zum Beispiel gar nicht, wie das mit der Wäsche geht, da musste ich erst mal fragen."

Es gab viel zu lernen für ihn in der Eigenständigkeit, das fand er auch reizvoll, weil er so die Möglichkeit hatte, Fehler zu machen und auch für die Konsequenzen einzustehen. Zu Hause hätten Mama und Papa Fehler eher ausgebügelt, davon ist er überzeugt.

Als besonders schön hat er empfunden, den Tag selbst zu gestalten. "Es kommt keiner, der mich weckt, ich beherrsche den Tag, ich entscheide was ich einkaufe, was ich koche."

Der zweite Neuanfang, 
auf dessen erste hundert Tage er blickt, hat in Köln stattgefunden – er ist mit seiner Freundin zusammengezogen in das ihm vertraute Veedel. "Ein spannender Schritt", findet er, und "wir mussten uns erst eingrooven" – einen gemeinsamen, abgestimmten Rhythmus finden.

Auch wenn sie sich schon seit drei Jahren kennen, ist das gemeinsame Wohnen im Alltag doch eine Herausforderung. Erleichternd findet er, dass sie viele ähnliche Vorstellungen haben, zum Beispiel was Ordnung angeht.

Er genießt es, wieder in Köln zu sein, fühlt sich heimatlich hier, mit der Stadt verbunden. Dazu trägt auch bei, dass er im Severinsviertel lange aktiv war, auch im Jugendleitungsteam der Pfarrgemeinde.

In seinem Lehramtsstudium (Englisch und katholische Theologie) steht er kurz von dem Bachelor-Abschluss. 
Die Freundin – Medienwissenschaftlerin – arbeitet bei RTL und macht gleichzeitig ihren Master.
Neben dem Studium arbeitet er in einer Boulderhalle, "Ich arbeite gern, das wird ja Menschen in meinem Alter oft abgesprochen, aber ich bin einfach gern aktiv."

Marlon (c) SilviaBins