Freitagmorgen 10.00 Uhr – an einigen Tischen im großen Bistro des Vringstreffs frühstücken Gäste, manche allein, andere zu zweit oder dritt, freundliche Begrüßung von der Frau am Tresen – eine einladende Atmosphäre … Ich bin verabredet zum Gespräch mit Sabine Rupp – sie leitet seit Mai dieses Jahres gemeinsam mit Thorsten Wacker den Vringstreff.
Ingrid Rasch: Was ist das Besondere am Vringstreff, das sogenannte Alleinstellungsmerkmal in der Vielzahl von unterschiedlichen Hilfen in Köln für Menschen mit und ohne Wohnung?
Sabine Rupp: Begegnung und Teilhabe, das ist das Besondere und das Entscheidende. Menschen, die auf der Straße leben oder untergekommen sind in einem kleinen Hotelzimmer – oft gemeinsam mit mehreren ihnen fremden Menschen – haben keinen Kontakt auf Augenhöhe mit bürgerlich lebenden Menschen. Da gibt es Berührungsängste auf beiden Seiten. Wenn Menschen sich gemeinsam an einen Tisch setzen etwa beim Mittagessen, dann gibt es die Chance, diese Ängste abzubauen, einander wahrzunehmen und im besten Fall miteinander ins Gespräch zu kommen. Diese Chance gibt es auch bei anderen Angeboten, so zum Beispiel bei der digitalen Lernwerkstatt oder in unserer Malgruppe.
Wie intensiv werden solche Angebote genutzt, und werden sie "paritätisch" genutzt?
Da wir nicht jedem Menschen ansehen können, in welcher Lebenssituation er sich befindet, können wir nicht immer sagen, wie viele unserer Besucherinnen und Besucher aktuell von Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit oder auch Armut betroffen sind. Denn nicht jeder kommt mit dem Einkaufswagen vorgefahren, um mal dieses Bild zu benutzen. Dass wir gut besucht sind, sieht man beispielsweise daran, dass mittags etwa 60 bis 80 Essen serviert werden.
Was ist gemeint, wenn Sie von "Teilhabe" sprechen?
Obdachlose oder wohnungslose Menschen können hier die Tageszeitung lesen, sie können ins Internet gehen, sie können den Vringstreff als ihre Postadresse angeben. Postadresse ist zwar keine Meldeadresse, aber dennoch sehr wichtig. Sie können ein Smartphone ausleihen, und vor allem können sie unsere Fachberatung in Anspruch nehmen. Geld geben wir nicht, wohl gelegentlich Einkaufsgutscheine, wenn sie uns zur Verfügung stehen. Einige der Smartphones sind übrigens gespendet; sie dürfen allerdings nicht älter als etwa drei Jahre sein, damit Updates möglich sind. Ohne Meldeadresse kann man zwar keine SIM-Karte registrieren, aber ins Internet kommt man – bei uns rund um die Uhr im WLAN, das auch vor der Tür erreichbar ist.
Um was geht es bei der Fachberatung?
Da gibt es den Paragraphen 67 ff. des 12. Sozialgesetzbuches – es geht darin um Menschen mit besonderen sozialen Schwierigkeiten. Die Bandbreite der Themen ist groß: Es geht etwa um eine Räumungsklage, um Anspruch auf Sozialleistungen, um Wohnberechtigungsscheine, um Hilfe bei Anträgen, um den Köln-Pass, um Hilfen beim Verlust der Ausweispapiere … Wir führen manchmal Tür- und Angel-Gespräche, aber effektiver ist natürlich eine Terminvereinbarung. Dann kann die Beratung intensiver sein.
Housing First – dieser Begriff ist inzwischen sehr bekannt, was bedeutet es genau, und in welcher Weise ist der Vringstreff da aktiv?
Wir haben aktuell 31 Menschen eine Wohnung vermitteln können. Drei dieser Wohnungen konnten wir selbst kaufen, bei den übrigen konnten wir die Wohnungsgeber überzeugen, sie zur Verfügung zu stellen. Es sind Wohnungen überall in der Stadt in ganz „normalen“ Mietshäusern. Wir begleiten das Ankommen im eigenen Zuhause besonders zu Beginn und – wenn gewünscht – auch über einen längeren Zeitraum. Und die sogenannte Wohnstabilität (die Zahl derer, die dauerhaft in der Wohnung bleiben) liegt bei 90 Prozent, darauf sind wir durchaus stolz.
Sie bieten hier im Vringstreff auch immer wieder kulturelle Veranstaltungen an – was ist Ihr Motiv dafür?
Ja, es gibt eine große Bandbreite an solchen Veranstaltungen, wir wollen damit die Türen ins Veedel öffnen und eine Chance zur Begegnung ermöglichen. Die Veranstaltungen werden sehr gut besucht – unser Konzept geht zu unserer Freude da auf.
Wie schon zu Beginn gesagt: Begegnung und Teilhabe sind die zentralen Punkte unserer Arbeit hier.