Für Sie gelesen:

Linda Rennings: Rebellin der Straße – weiblich und wohnungslos 

Die Autorin eröffnet mir mit ihrem Buch den Blick in eine für mich sehr fremde Welt. Selten erlebe ich obdachlose Frauen auf der Strasse, auch bei der Übernachtung im "Nachtcafe"* gibt es deutlich weniger Frauen als Männer. Die Autorin beschreibt nüchtern und ungeschminkt ihren Weg in die Obdachlosigkeit hinein und ihren Kampf, wieder herauszukommen und zugleich in Verbindung mit Menschen auf der Straße zu bleiben und sich aktiv für deren Belange einzusetzen.

Alle Stationen ihres bisherigen Lebens spielen sich in Köln ab, das rückt sie mir beim Lesen noch etwas näher. 

Rennings beschreibt eine schwierige Kindheit in der sogenannten Mau-Mau-Siedlung – heute würde man es sozialen Brennpunkt nennen – mit einer gänzlich überforderten Mutter und zum Glück einer liebevoll-strengen Oma als verlässlicher Anker für das Kind. Deren Tod wirft die junge Frau aus der Bahn. Gewaltgeprägte Partnerschaften bestimmen ihr Leben, die Wohnung wird zwangsgeräumt, und schließlich flüchtet sie auf den Friedhof, lebt viele Monate am Grab der Oma. Körperlich und psychisch am Ende kann sie sich schließlich zögernd auf Hilfsangebote des SkF (Sozialdiensts katholischer Frauen) einlassen. Eine Psychose zwingt zu längerem Aufenthalt in der Psychiatrie, zum Teil in geschlossener Abteilung. 

Die innere Verbindung zur Oma gibt ihr die Kraft, mit vielen Rückschlägen wieder in ein Alltagsleben hineinzufinden. Sie entdeckt ihre Fähigkeiten zu schreiben, wird unterstützt durch das Redaktionsteam der Zeitschrift "Draußenseiter". Sie schafft eine Ausbildung zur 
Genesungsbegleiterin, ein Hund wird ihr zuverlässiger und stärkender Begleiter, und sie beginnt, obdachlose Frauen zu unterstützen. Sie beschreibt vielfältige Konflikte mit Behörden und Ämtern, dazu Kontaktabbrüche, Enttäuschungen, aber sie erfährt auch Ermutigung, Stärkung und Unterstützung.

Die Verbindung zur Straße ist ihr wichtig – der Wiener Platz ist ihr zweites Zuhause. "Der Mensch lebt auch auf der Straße nicht vom Brot allein, er lebt auch vom Zuhören, von der Zuwendung und davon, dass er als Gleicher unter Gleichen behandelt wird", so ihr Fazit.

*Jeweils von November bis März können bis zu 15 obdachlose Menschen von Sonntag auf Montag im Pfarrsaal an St. Maternus übernachten, an anderen Wochentagen in den Räumen anderer Kirchengemeinden – wir berichteten darüber in früheren Pfarrbriefen.

Ingrid Rasch

Linda Rennings: Rebellin der Straße – weiblich und wohnungslos, Verlag Rowohlt Taschenbuch

Das Buch ist in der KÖB St. Severin entleihbar.