Wenn Macht die Fähigkeit ist, auf Personen so einzuwirken, dass diese sich entsprechend den ausgesprochenen Anordnungen zu verhalten haben, dann habe ich in den letzten Jahren meiner beruflichen Tätigkeit als Vorstand und Vorsitzender von Aufsichtsräten in einem multinationalen Konzern Macht gehabt und ausgeübt. Ich habe alleine oder mit anderen Top-Managern über Produkte entschieden, Personen eingestellt oder entlassen, Disziplinarmaßnahmen ausgesprochen, Gehälter und Bonus-Zahlungen festgelegt, in einem Sanierungsfall sogar eine Belegschaft drastisch verkleinern müssen.
Denke ich über meine Erfahrungen bei der Ausübung dieser Macht kritisch nach, so fällt mir zunächst die Neigung ein, vor der keiner gefeit ist, Macht nicht als eine befristete, an eine bestimmte Funktion gebundene Fähigkeit auszuüben, sondern sie als eine Art persönlicher Eigenschaft auszuleben, die daher einem zweifellos zusteht und ein Zuhören als unnötig erscheinen lässt. Indem der die Macht Ausübende aber zum Macht-Menschen wird, ist Macht zusammen mit dem Ehrgeiz unersättlich, will immer mehr bestimmen und lenken. Nicht selten wird die Macht, die im Beruf ausgeübt wird, fraglos auch auf die Familie übertragen.
Bei der Ausübung von Macht geschieht es sehr häufig, dass die betroffenen Menschen zu strategischen Objekten werden, zu Figuren in einem Schachspiel, verschiebbar, austauschbar, alleine nach Leistung und Durchsetzungsvermögen bewertet. Die Einzigartigkeit eines jeden Menschen, seine Empfindungen, Stärken und Schwächen spielen bei diesem Verhalten keine Rolle mehr.
Die Ausübung von Macht muss aufgrund dieser Gefahren regelrecht im Gleichschritt mit der Entwicklung der eigenen Persönlichkeit gelernt werden. Zu schneller Aufstieg verführt dazu, sehr schnell zu einem Macht-Menschen zu werden.