Freundschaft in der GOT

In der GOT (= ganz offene Tür) – dem Kinder- und Jugendzentrum Elsaßstraße – gehen täglich etwa 50 Kinder und Jugendliche zwischen sechs und 21 Jahren ein und aus. 
Claudia Pabich von der Pfarrbriefredaktion hat Jonas Bücker nach seinen beruflichen Erfahrungen mit dem Thema Freundschaft gefragt. Bücker ist seit vielen Jahren als Sozialpädagoge und Deeskalationstrainer in der GOT tätig.

Claudia Pabich: Ab welchem Alter sind eigentlich Gleichaltrige für Kinder und Jugendliche wichtiger als die Eltern?

Jonas Bücker: Ungefähr ab zwölf. Ab dann geht es darum, Autonomie zu entwickeln und die Anerkennung der Gleichaltrigen zu erfahren. Bei Krisen kann es dann sein, dass die Eltern wieder die wichtigeren Bezugspersonen werden. Aber auch für jüngere Kinder hat Freundschaft neben der Beziehung zu den Eltern einen hohen Stellenwert.

Und wie schließen Kinder Freundschaft?

Durch gemeinsames Tun und Erleben, beim Spielen. Wir haben zum Beispiel hier drei Jungs, sechs und sieben Jahre alt –  zwei davon mit sehr unterschiedlichen familiären Hintergründen und einer, der vor kurzem aus der Ukraine gekommen ist. Die drei haben sich beim Fußballspielen kennengelernt und sind seitdem unzertrennliche Kumpels. Erst nach längerer Zeit haben die anderen beiden gemerkt, dass der eine überhaupt kein Deutsch kann. 

Manchmal zerbrechen auch Freundschaften unter Kindern und Jugendlichen – was passiert da?

Manchmal reicht ein böses Wort, und eine Freundschaft ist beendet. Da gibt es auch Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen.
Jungen können Konflikte teilweise besser ertragen und akzeptieren. Es gibt auch Jungen-Cliquen, deren normale Kommunikation Streit ist, die aber trotzdem beste Freunde sind. Sie ärgern und provozieren einander permanent. Bei ihnen entsteht die Nähe aus der Reibung. Jungen können ja, anders als Mädchen, nicht so einfach miteinander kuscheln, um Nähe zu zeigen. 

Hat sich durch Corona etwas hinsichtlich der Freundschaftsbeziehungen von Kindern und Jugendlichen in Ihrer Einrichtung verändert?

Es hat sich sehr viel verändert. Viele Kinder und Jugendliche haben seitdem massive Probleme in der Schule. Für unsere Nachhilfeangebote gibt es lange Warte-listen. Freundschaften konnten nicht mehr so gepflegt werden wie zuvor. Die Angebote, die wir im Freien anbieten konnten, waren zwar gut besucht, aber es gab eben keine Rückzugsräume.
Bei vielen Kindern und Jugendlichen sind zudem große Ängste und Unsicherheiten entstanden. Es fehlten die Erfahrungsräume, in denen junge Menschen feststellen, ob und vor allem wie sie ankommen bei anderen, ob sie interessant genug sind und so im Vergleich mit anderen eine eigene Identität entwickeln.
Seit der Sanierung unseres Hauses gibt es bei uns einen Raum für Gaming: Das ist ein Türöffner für diejenigen, die sich während der Epidemie ganz und gar zurückgezogen haben. Hier können sie erst einmal das tun, was sie auch zuhause machen: Computerspiele. Sie müssen nur einen Controller halten können, und sie kommen so allmählich in Kontakt und trauen sich schließlich auch wieder, an anderen gemeinsamen Aktivitäten teilzunehmen. "FIFA" zu spielen, das hat auch geholfen, gerade erst aus der Ukraine gekommene Jugendliche einzubinden. Hier spielt die Sprache keine Rolle.

Ist es wichtig für Freundschaften, viele Gemeinsamkeiten zu haben?

Nicht unbedingt. Bei einer Ferienmaßnahme hat ein Kind mit einer schweren Behinderung teilgenommen. Drei Kinder einer Familie aus Meschenich, die sonst in Gesellschaft eher anecken und selbst vor großen Herausforderungen stehen, haben sich dieses Kindes ganz rührend angenommen. Unaufhörlich haben sie nach Wegen gesucht, Kontakt zu dem Kind aufzunehmen und Möglichkeiten zu finden, etwas gemeinsam mit ihm zu tun und zu erleben. Das war für uns Erwachsene eine ganz berührende Erfahrung.
Ferienmaßnahmen finde ich übrigens sehr wertvoll. Gerade nach der Pandemie ist es so wichtig, Jugendliche zu stärken und sie Gemeinschaft erleben zu lassen. Für einige unserer Besucher ist so eine mehrwöchige Ferienfreizeit – wie sie auch in diesem Jahr wieder vom Jugendleitungsteam St. Severin organisiert wird – eine gewinnbringende Erfahrung und ein unvergessliches Erlebnis. Wir freuen uns hier sehr, dass das Jugend-leitungsteam so aktiv ist. 

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